5.2.2025

NACHGEFRAGT


Finanzmarktdaten

Massive Preissteigerungen belasten Fondsbranche und Anleger

Interview mit Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer des deutschen Fondsverbands BVI

Die Ausgaben der Assetmanager für Finanzmarktdaten, wie zum Beispiel Börsenpreise und Indizes, sind in den letzten Jahren massiv gestiegen und erreichten 2024 weltweit knapp 50 Mrd. US-Dollar. Sie belasten die Branche erheblich, und letztlich trägt der Fondssparer die Kostensteigerungen. Was die Ursachen dieser Entwicklung sind, welche Rolle die Börsen in Europa laut einer aktuellen Studie von Market Structure Partners spielen und wie die Preisspirale gestoppt werden kann, erfahren Sie im Interview.

Herr Richter, die Ausgaben für Finanzmarktdaten steigen seit Jahren. Was sind die Gründe für diese Entwicklung?
Die Preissteigerungen sind massiv. Die Gründe sind die Oligopole von Börsen und Ratingagenturen sowie die Marktbeherrschung der großen Index- und Datenanbieter. Gleichzeitig sind Fondsgesellschaften gesetzlich verpflichtet, Börsenkurse, Benchmarks, Ratings und andere Daten von Drittanbietern zu verwenden. Marktdaten sind unverzichtbar, weil sie die Voraussetzung für die Erbringung der Dienstleistung entlang der gesamten Wertschöpfung im Assetmanagement von Research über Handel, Verrechnung, Abwicklung, Compliance und Risikomanagement, aber auch im Vertrieb oder im Meldewesen sind. Das gibt den Datenanbietern Marktmacht und führt zu teilweise explodierenden Preisen. Dazu kommt der faktische Zwang zum Abschluss immer komplexerer Datenlizenzen, die alle Spielarten der Nutzung und Verbreitung der Daten in der Wertschöpfungskette des Assetmanagements bis zum Kunden erfassen sollen.

Welche Auswirkungen haben die steigenden Kosten?
Sie schmälern die Fondsrendite. Letztlich trägt der Fondssparer die Preiserhöhungen für Marktdaten.

Eine aktuelle Studie der Londoner Strategieberatung Market Structure Partners hat das Preisgebaren der Börsen in Europa in deren Datengeschäft hinterfragt. Zu welchen Ergebnissen kommt sie?
Die Studie zeigt, dass die Börsen in Europa mit den Preiserhöhungen offensichtlich ihre rückläufigen Umsätze im Handelsgeschäft ausgleichen. Diese Preissteigerungen entbehren allerdings jeder sachlichen Grundlage. Denn für die Erstellung von Marktdaten fallen keine spezifischen Kosten an, und die Kosten für den Betrieb einer Handelsplattform sind stabil oder sogar rückläufig. Die Studie veranschaulicht, wie extrem die Kostensteigerung zum Beispiel für Assetmanager ist: Beispielsweise war die automatisierte Verwendung von Marktdaten 2024 in bestimmten Fällen für die Nutzer bis zu 97mal teurer als die Nutzung derselben Daten durch eine menschliche Arbeitskraft 2017.

Was muss also passieren?
Die Oligopole und das Verhalten der Datenanbieter sind ein Fall für die Wettbewerbsbehörden. Die Politik nimmt die Machtlosigkeit der einzelnen Nutzer gegenüber den marktbeherrschenden Datenplattformen inzwischen zur Kenntnis. Wir fordern einen „EU Data Vendor Act“, der das Gebaren dieser Unternehmen reguliert. Denn wenn wir das nicht tun, wird sich der ohnehin schon erhebliche Kostendruck in der Fondsbranche noch weiter verschärfen – auch zum Nachteil der Anleger.

Der Weg zu einem EU-Gesetz dürfte lang sein. Was unternehmen Sie in der Zwischenzeit, um die massiven Preissteigerungen aufzuhalten?
Wir setzen uns im Rahmen der BVI-Finanzmarktinitiative für den kostengünstigen und einfachen Bezug der von Fondsgesellschaften besonders benötigten Börsenpreise, Index-, Rating- und ESG-Daten ein. Die Initiative umfasst vor allem aufsichtsrechtliche Themen. Zum Beispiel haben wir uns erfolgreich für die Einführung von Börsentickern für Aktien und Anleihen stark gemacht, die für Transparenz und Vergleichbarkeit der Börsenkurse sorgen werden. Auch in der Benchmark-Verordnung und der Kreditratingagenturen-Verordnung fordern wir Vorschriften, die die Datennutzer stärker schützen. Zudem machen wir uns gemeinsam mit dem französischen Fondsverband und der Vereinigung Paris Europlace für eine einheitliche Regulierung der Gebühren und Lizenzbedingungen aller in der EU tätigen Datenanbieter stark. Daneben haben wir gemeinsam mit anderen EU-Verbänden eine Wettbewerbsbeschwerde gegen CUSIP Global Service, die Vergabeinstanz für US-amerikanische Wertpapierkennnummern, eingelegt. Sie soll verhindern, dass Datenmonopolisten ihre Marktmacht missbrauchen. Zudem setzen wir uns für die Festsetzung von Standards ein, um das preisgünstige Datenangebot für Fondsgesellschaften zu erweitern und so die Kostenbelastung zu senken. Und außerdem engagieren wir uns bei den Datenanbietern für preisgünstige, möglichst lizenzfreie und hochwertige Datenprodukte und Dienstleistungen.

Die Fragen stellte Christiane Lang, Internetredaktion

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